Bündnis für Patientenunterstützung: Patienten brauchen eine unabhängige Lobby!
Zu einem „Bündnis für unabhängige Patientenunterstützung in Deutschland“ haben sich
- die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV),
- der Arbeitskreis Kunstfehler in der Geburtshilfe (AKG),
- die Bundesarbeitsgemeinschaft der Notgemeinschaften der Medizingeschädigten,
- die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen sowie
- die Bundesinteressengemeinschaft Geburtshilfegeschädigter (BIG)
zusammengeschlossen.
Zweck des Bündnisses ist es, ein Netzwerk unabhängiger Patientenberatung in Deutschland aufzubauen, entsprechende Detailkonzepte zu erarbeiten sowie ein Forum für Patienteninteressen zu sein. Dabei können die beteiligten Organisationen auf die Erfahrungen ihrer bisherigen Arbeit zurückgreifen. Mehrere Tausend Hilfesuchende in den wenigen bestehenden Beratungsstellen der im Bündnis beteiligten Verbände zeigen ganz klar: Patienten brauchen eine Lobby! Denn Ärzte, Pharmaindustrie, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Apotheken behandeln Patienten immer weniger als Hilfebedürftige, sondern lediglich als Konsumenten von Gesundheitsdienstleistungen.
Der Patient ist das schwächste Glied im Medizinbetrieb. Ihn über Qualitätsunterschiede zu informieren, im eigenverantwortlichen Handeln zu stärken, bei Behandlungsfehlern zu unterstützen und bei der Wahrnehmung seiner individuellen Rechte im Gesundheitswesen zu fördern, sind wesentliche Ziele der im Bündnis zusammengeschlossenen Organisationen. Dabei suchen die Verbraucher- und Patientenverbände den Dialog mit allen Beteiligten des Gesundheitswesens. Diese sollten aufzeigen, wie sie zum Beratungsnetzwerk beitragen können.
Gerade in Zeiten eines intensiven Kassenwettbewerbs um „gute Risiken“ ist es notwendiger denn je, die Versicherten bei der Wahrnehmung ihrer Rechte gegenüber den Kassen zu stärken. Deshalb darf die Beratung der Versicherten und Patienten nicht allein in den Händen der Kassen liegen, sondern muss unabhängig erfolgen, wenngleich sinnvolle Kooperationen bei speziellen medizinischen Fragestellungen denkbar sind.
Für Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit stehen die im „Bündnis für unabhängige Patientenunterstützung in Deutschland“ zusammengeschlossenen Verbände. Sie fordern die Bundesregierung auf, eine Finanzierung des geplanten Patientenberatungs-Netzwerks im Rahmen der anstehenden Gesundheitsreform sicherzustellen. Schließlich trägt eine unabhängige Beratung wesentlich zur Qualitätssicherung im Gesundheitswesen bei.
PS: Ein vorläufiges Konzept können Sie von den am Bündnis beteiligten Organisationen auf Anfrage direkt beziehen oder unter dem Menüpunkt -Download- herunterladen:
- Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e.V. (AgV)
Heilsbachstr. 20
53123 Bonn
Tel: (0228) 64890
Fax: (0228) 644258
- BAG der Notgemeinschaften der Medizingeschädigten
Ulmenallee 15
41540 Dormagen
Tel. + Fax: (02133) 46753
- Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientinnenstellen
Auenstr. 31
80469 München
Tel: (089) 772565
Fax: (089) 7250474
- Bundesinteressengemeinschaft Geburtshilfegeschädigter
Nordsehler Str. 30
31655 Stadthagen
Tel: (05721) 72372
Fax: (05721) 81783
Chronologie und Aktivitäten bei der Umsetzung und Schaffung von Patientenrechten
von Jürgen Korioth, Rechtsanwalt in Hennef und Vorsitzender der Bundesinteressengemeinschaft Geburtshilfegeschädigter e.V. in Stadthagen
Liebe Leser
an dieser Stelle will ich über unsere Aktivitäten bezüglich der Patientencharta und den Verhandlungen mit der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände zur Vernetzung unabhängiger Patienten- und Patientenschutzstellen berichten.
- Rückblick:
Bei der Europäischen Beratungstagung zum Thema Patientenrechte vom 28. bis 30. März 1994 unter der Schirmherrschaft der Weltgesundheitsorganisation – Regionalbüro Europa in Amsterdam – wurden Prinzipien und Strategien zur Förderung von Patientenrechten definiert. In diesem Papier wurden alle europäischen Länder aufgefordert, Strategien anzuregen oder zu erneuern, die folgende Elemente enthalten müssen: - Gesetze oder Bestimmungen, in denen die Rechte, Ansprüche und Pflichten der Patienten, der Gesundheitsfachkräfte und von Einrichtungen der Gesundheitsversorgung festgelegt werden.
- Diese Absichtserklärungen und Forderungen des Europäischen Büros und der Weltgesundheitsorganisation wären wohl im Sande verlaufen, wenn die Notgemeinschaft Medizingeschädigte nicht eine umfängliche Petition vom 26.04.1995 an den Petitionsausschuß des Bundestages gerichtet hätte. Dort wurde sowohl die Positionierung als auch die Forderungen der Notgemeinschaft sehr ausführlich dargestellt und damit eine Entwicklung mit ins Rollen gebracht, die bis heute anhält und auch in Zukunft aufgrund unserer verstärkten Bemühungen weiter gefördert wird. Unsere Forderungen, die auch im Kontext zu den Forderungen des Europäischen Büros der Weltgesundheitsorganisation stehen, wurden von uns umgesetzt als Beteiligte in der Arbeitsgruppe ‚Patientencharta‘ der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (s. Punkt b. der Forderungen der WHO – Regionalbüro Europa). Nachdem die Mitglieder der Arbeitsgruppe ‚Patientencharta‘ in mehreren Sitzungen und vielfältigen Stellungnahmen einen Konsens gefunden haben ist letzter Stand der ‚Charta‘, daß das Papier nicht mehr ‚Patientencharta‘ heißen soll, sondern ‚gemeinsamer Standpunkt: Patientenrecht in Deutschland heute‘.
Vorab wurde von uns mit umfangreichem Schreiben vom 23.03.1999 zum Entwurf Stellung genommen. Wir haben hier durchsetzen können, daß unsere Patientenschutzorganisation und auch andere maßgebliche Organisationen, die sich im Patientenschutz profiliert haben, im Papier angemessene Berücksichtigung finden. Alles in allem können wir mit der neuesten Fassung aus unserer Sicht zufrieden sein. Dieses Konsenspapier wird der Gesundheitsministerkonferenz im Sommer zur Beschlußfassung und Verabschiedung vorgelegt. Wenn diese von mir auch im Weiteren der Einfachheit halber ‚Charta‘ genannte Darstellung der Patientenrechte, die – und darauf müssen wir immer wieder hinweisen – zunächst nur einen Minimalkonsens der zur Zeit gültigen Rechtslage beinhaltet, dann verabschiedet ist, wird eine breite Diskussion in der öffentlichkeit angestrebt mit dem Ziel, auf der Grundlage breiter öffentlicher Zustimmung das Papier dann endgültig zu verabschieden und allen Betroffenen zur Verfügung zustellen. Danach wird dann eine weitere Diskussion unter unserer Mitarbeit einsetzen mit dem Ziel, den ortführungsbedarf in Bezug auf unsere weitergehenden Forderungen zum Schutze von Patienten zu konkretisieren und in eine weitere, möglicherweise auch gesetzgeberische Aktivität mit Blick auf ein Patientenschutzgesetz, umzusetzen.
- Nahezu zeitgleich zur Erarbeitung der Patientencharta hat das
Bundesministerium für Gesundheit die ‚Eckpunkte zur Gesundheitsreform 2000‘ verabschiedet. Hierbei handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen den Arbeitskreisen ‚Gesundheit‘ der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen und dem Bundesministerium für Gesundheit.In diesem Eckpunktpapier wird zur Konkretisierung der Absichtserklärung in der Regierungserklärung der jetzigen Regierung eine Vielzahl von Regelungen vorgeschlagen, die in Bezug auf die Patientenrechte folgendes fordern: (Zitat)
Das deutsche Gesundheitssystem ist einseitig auf Leistungserbringer und Kostenträger ausgerichtet. Patientinnen und Patienten tauchen zumeist als Objekte der Fürsorge auf. Ein an den Interessen der Betroffenen orientiertes Leistungsgeschehen bedarf einer Integration von Versicherten und Patienten als Akteure in die Gestaltung des Gesundheitswesens. Damit wird ihnen ermöglicht, mehr Selbstverantwortung für Gesundheit und Krankheit zu übernehmen. Nur aufgeklärte Patientinnen und Patienten haben die Chance, sich sowohl rational als rationell im Gesundheitswesen zu bewegen. Dies setzt eine bessere Verankerung des Patientenschutzes und eine umfassende, rechtlich abgesicherte Information und Aufklärung der Versicherten und Patienten voraus. Hierzu bedarf es der Schaffung und Unterstützung entsprechender unabhängiger Anlauf- und Beratungseinrichtungen wie z.B. Patientenstellen oder Verbraucherzentralen. Zu den Aufgaben der Krankenkassen muß die Unterstützung entsprechender Beratungs- und Informationsstellen gehören. Der Medizinische Dienst hat auf Anforderung auch direkt die Versicherten zu beraten. Darüber hinaus sollen die Krankenkassen Versicherte bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern unterstützen. Auch über die genannten Maßnahmen hinaus ist die Rechtsstellung der Patientinnen und Patienten zu stärken. Eine Stärkung der Patientenrechte führt nicht zu einer Häufung haftungsrechtlicher Probleme für die ärztlichen Professionen, sondern bietet im Gegenteil die Chance einer Verminderung solcher Auseinandersetzungen. Es wird geprüft, ob dies in einem eigenen Patientenschutzgesetz oder durch bessere Regelungen in Gesetzen geschehen soll, die sich mit Anliegen des Patientenschutzes befassen. Dieses für diese Legislaturperiode vorgesehene Vorhaben ist zeitlich von der Strukturreform zu entkoppeln (Zitat Ende).
Die in diesem Eckpunktepapier aufgestellten Forderungen, z.B. die direkte Inanspruchnahme des Medizinischen Dienstesder Krankenkassen und die Verpflichtung der Kassen, auch bei Verfolgung von Schadensersatzansprüchen die Versicherten zu unterstützen (statt der jetzigen ‚Kann‘-Vorschrift also eine ‚Soll‘-Vorschrift) bedarf sicher noch gesetzgeberischer Eingriffe um dies zu ermöglichen. Insgesamt will das Eckpunktepapier also eine Vernetzung aller im Patientenschutz beratender Akteure.
Dies hat zu Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, der Patientenstellen und unserer Organisation geführt. In einer Arbeitstagung am 28.04.1999 habe ich für unseren Verein zusammen mit Frau Bartz von der Notgemeinschaft teilgenommen. Dieses Konzeptpapier zum Aufbau einer Infrastruktur vernetzter Kompetenzzentren unabhängiger Information, Beratung und Unterstützung für Patienten und Verbraucher sieht folgendes vor:
Vor dem Hintergrund des bestehenden Beratungs- und Unterstützungsbedarfs, der existierenden professionellen und ehrenamtlichen Beratungserfahrungen sowie in Anbetracht aktueller politischer Initiativen (Gesundheitsministerkonferenz der Länder, Koalitionsvertrag, Eckpunkte des Bundesministeriums für Gesundheit) streben wir den bundesweiten Aufbau vernetzter Kompetenzzentren zur unabhängigen Beratung und Unterstützung von Patienten und Verbrauchern gem. den im Papier genannten Tätigkeitsfeldern an. Langfristig erscheint die Einrichtung einer unabhängigen Beratungsstelle in jeder größeren Stadt notwendig und sinnvoll. Dabei sind – analog zur Wohnberatung in NRW – unterschiedliche Trägermodelle, insbesondere unter Einbeziehung bestehender Strukturen (Notgemeinschaften der Medizingeschädigten, Bundesinteres- sengemeinschaft der Geburtshilfegeschädigten, Gesundheitsläden bzw. PatientInnenstellen und Verbraucherzentralen) im konkreten Einzelfall realisierbar. Ausgehend vom bundesweiten Rahmenkonzept und zu entwickelnder Rahmenvereinbarungen mit relevanten Akteuren soll die konkrete Ausgestaltung auf Landesebene in Form von zu bildender bzw. auszubauender Kompetenzzentren erfolgen. Die bundesweite Koordination der jeweiligen Bundesverbände soll insbesondere übergreifende Qualitätssicherungsmaßnahmen, beispielsweise im Bereich der Beratung, gewährleisten, gesellschaftliche Vernetzungsarbeit effektivieren und einen Dialog der unterschiedlichen Akteure zu verbraucherpolitischen Fragestellungen ermöglichen (Zitat Ende).
Wichtig ist, daß eine Förderung auf Bundesebene angestrebt wird, die uns in die Lage versetzt, unsere Beratungs- und Vereinstätigkeit insgesamt mit ausreichenden personellen und sächlichen Mitteln wahrzunehmen. Geplant ist folgendes:
Um die bestehende generalisierende, koordinierende sowie die beratende Arbeit von den beteiligten Verbänden (Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, Verbraucherzentralen, Notgemeinschaften …) dauerhaft sicherzustellen, sind diese ausreichend finanziell zu fördern. Grundsätzlich ist zu gewährleisten, daß an den Orten der Patienten-/Verbraucherberatung ausreichende Ressourcen auch für strukturelle Arbeit auf regionaler, Landes- und Bundesebene bereitgestellt werden. Dazu bedarf es je Einrichtung Koordinations-, Sachbearbeiter und Verwaltungskräfte. Ab dem 01.01.2000 sollte der Gesetzgeber unverzüglich die rechtlichen und finanziellen Ressourcen bereitstellen, um schrittweise kalkulatorisch je 2 Mill. Einwohner 2 Beratungskräfte, 0,75 Verwaltungskräfte und 0,5 Sachbearbeiterkräfte zu beschäftigen. Bis zum 01.01.2003 wird von uns in dem Papier gefordert, unabhängige Verbraucher-/Patienteninformations- und Unterstützungsstellen auf Landesebene, in großen Flächenländern in angemessener Zahl, so einzurichten, daß eine inhaltliche Abhängigkeit ausgeschlossen ist.
Wir sind froh, daß wir es geschafft haben, uns in diesem geplanten Netzwerk zur unabhängigen Patientenunterstützung zu etablieren. Dies ist ein schöner Erfolg auf den wir stolz sind.
- Wir werden über die Entwicklung an dieser Stelle weiter berichten. Für Anforderungen von Texten oder bei weitergehendem Informationsbedürfnis nutzen bitte unsere eMail-Adresse.
Verhaltensvorschriften für ärzte und andere Berufe, Patientenchartas und ähnliche Instrumentarien, die auf der Grundlage einer erzielten Verständigung zwischen Vertretern der Bürger, Patienten, Gesundheitsberufe und Entscheidungsträger aufgestellt wurden und als Reaktion auf sich wandelnde Umstände in gewissen Abständen revidiert werden müssen.
Vernetzung zwischen und unter Patienten und Gruppen gesundheitlicher Leistungserbringer, wobei zwischen Mitsprache von Bürgern und Nutzern unterschieden wird.
Staatliche Unterstützung für die Einrichtung und das effektive Funktionieren nicht staatlicher Organisationen im Bereich Patientenrechte.
Kolloquien und Konferenzen in den Ländern, die bei den Beteiligten ein einheitliches Verständnis schaffen und fördern sollen.
Einbeziehung der Medien in die öffentlichkeitsarbeit, durch die eine konstruktive Debatte angeregt und das Bewußtsein für die Rechte und Pflichten von Patienten und Nutzern und ihrer repräsentativen Organe gewagt werden sollen.
Eine bessere Schulung von Gesundheitsfachkräften sowie von Patienten und anderen Verbrauchergruppen in Kommunikations- und Werbetechniken, um das richtige Verständnis der Perspektive und Rolle aller Beteiligten weiter zu fördern.
Förderung von Forschungsarbeiten zur Evaluierung und zum Nachweis der Effektivität rechtlicher und anderer Bestimmungen sowie der verschiedenen, in den mannigfaltigen Kontexten der unterschiedlichen Länder unternommenen Initiativen.